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Viele Daten, Polemik und banale Vorschläge

Veröffentlicht am 16.04.2023

Malte Rubach: Die Ökobilanz auf dem Teller

In der Einleitung formuliert der Autor klar sein Ziel: ein Buch über nachhaltige Ernährung zu schreiben. Diesem Anspruch wird das Buch nur teilweise gerecht, weil der Autor wiederholt auf die Kompensation von Klimagasemissionen durch Verzicht in anderen Lebensbereichen (Verkehr o.Ä.) setzt, also für manche Fragen keine Lösung innerhalb des Bereichs Ernährung herausarbeitet.

Das ist sicherlich legitim, wenn das Ziel lautet, eine insgesamt günstigere Ökobilanz des individuellen menschlichen Lebens anzustreben, und wenn der Autor dafür eine nachhaltigere, wenn auch nicht umfassend nachhaltige Ernährungsweise vorstellt. Problematisch ist allerdings, dass der Autor die Bedeutung von Verhaltensänderungen in Deutschland ziemlich plump durch Verweis auf die großen Bevölkerungen in China und Indien relativiert und nahezu für verzichtbar einstuft. Seine Vorschläge zur Verbesserung der Ökobilanz bei der Ernährung – ambitioniert als zusammenfassende Kernbotschaft bezeichnet - sind zudem eher banal und vage.

Im ersten Teil des Buches wird in vordergründig launigem Tonfall die Vorgeschichte der aktuellen ökologischen Krisen wie Klimawandel und Trinkwasserverknappung vorgestellt. Als Hauptursache rückt der Autor die Bevölkerungsexplosion in den Mittelpunkt seiner Darstellung. Umgehend rechnet er dann die Verantwortung der im globalen Maßstab geringen Bevölkerung in Deutschland für den Klimawandel und den Einfluss ihrer Ernährungsweise klein (z. B. S. 28 u. 29). Dies geschieht zwar datenreich, aber dennoch irreführend, weil der Autor mit Anteilen gesamter Bevölkerungen an den Klimagasemissionen anstelle absoluter Zahlen pro Kopf argumentiert. Außerdem ist seine Darstellung – auch in späteren Teilen des Buches – gespickt mit polemischen Seitenhieben gegen Veganismus (z. B. S. 110, S. 136), die Inhaltlich zutreffend sein mögen, im Tonfall aber dennoch irritieren.

Der zweite Teil des Buches stellt im Wesentlichen eine ausführliche Sammlung von Daten zum CO2- und Wasserfußabdruck bzw. dem Flächenbedarf diverser Lebensmittel. Außerdem liefert der Autor gleich mehrere Rechenbeispiele dafür, wie sich die Klimawirkung bestimmter Lebensmittel durch weniger Duschen, weniger Streamen oder weniger Autofahren kompensieren ließe, was ein bisschen den Eindruck erweckt, als befänden wir uns auf einem Bazar der Ökobilanzierung unserer Lebensweise. Ergänzend verweist der Autor auf die günstigen Auswirkungen einer verringerten Lebensmittelverschwendung, betont, dass eine begrenztere Auswahl an Lebensmitteln vielen Verbrauchern die Kaufentscheidungen erleichtern würde und stemmt sich zugleich gegen jedwede vermeintliche Bevormundung.

Vor diesem Hintergrund erwartet man mit Spannung den dritten Teil des Buches, in dem laut der Ankündigung des Autors Prognosen und Empfehlungen vorgestellt werden sollen, wie Ernährung künftig aussehen wird. Was man zu lesen bekommt, sind teilweise durchaus interessante Informationen zu Fleisch- und Milchersatzprodukten und aufschlussreiche Vergleiche derzeitiger Ernährungsgewohnheiten mit der sogenannten Planetary Health Diet. Gleichzeitig rutscht die Darstellung immer mehr ins Anekdotische ab, wenn beispielsweise die Protagonisten der EAT-Lancet-Kommission erwähnt werden, und mündet schließlich in seitenlanges Schwadronieren über Achtsamkeit, Spieltheorie, Nudging und die Richtigkeit von Prognosen aller Art.

Zum Abschluss des Buches muss es dann schnell noch ein paar Ratschläge für das künftige Ernährungsverhalten geben. Die sind zwar nicht falsch, allerdings keineswegs neu und ebenso wenig bahnbrechend. So schlägt der Autor beispielsweise vor, mehr regionale und saisonale Lebensmittel anstelle von Importware zu konsumieren, mehr Leitungswasser, statt abgefüllter Getränke zu trinken und vier weitere ähnlich unverbindliche Empfehlungen mehr. Das ist ein enttäuschend unterkomplexes Fazit für den Anspruch, eine nachhaltige Ernährung zum Schutz des Klimas erklären zu wollen.

Dr. Malte Rubach: Die Ökobilanz auf dem Teller – Wie wir mit unserem Essen das Klima schützen können, Verlag Hirzel, Stuttgart, 2020, Paperback, 248 Seiten, 18.- Euro