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Nebelkerzen eines Ökomodernisten

Veröffentlicht am 23.08.2023

Vince Ebert: Lichtblick statt Blackout

Der Wissenschaftskabarettist Vince Ebert versucht in zwei Teilen seines Buches eloquent und pointiert zu erklären, warum die Befürchtungen von Klimaaktivisten überzogen und pseudoreligiös geprägt sind. Im dritten Teil bietet er Lösungsansätze an, die sich bei genauerer Betrachtung aber nicht als belastbare Lichtblicke, sondern nur als vermeintlich beruhigend erweisen. Das Buch ist letztendlich eine Polemik. Auch gegen diejenigen, die weder Anhänger einer Weltrettungsutopie sind noch an ein apokalyptisches Ende der menschlichen Existenzgrundlagen glauben, sondern sich faktenbasiert Sorgen um die künftigen Rahmenbedingungen menschlichen Lebens auf diesem Planeten machen. Alles in allem ganz amüsant und flott zu lesen, kämen nicht ständig Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit und Wichtigkeit auf. 

Im ersten Teil des Buches mit dem Titel „Mythen und Halbwahrheiten“ meint der Autor doch tatsächlich, darüber aufklären zu müssen, dass Naturwissenschaften und Politik zweierlei sind. Weshalb viele Forderungen von Klimaaktivisten nicht – wie angeblich behauptet – aus der Wissenschaft stammten, sondern politisch motiviert seien. Ausführlich stellt Ebert dar, um wie vieles besser es sehr vielen Menschen im 21. Jahrhundert geht als in vielen Jahrhunderten zuvor, die weltweit geprägt waren von schmutzigem Wasser, mangelnder Ernährung, hoher Kindersterblichkeit und Ähnlichem. Außerdem schildert er ausführlich, dass fehlende Energiespeicher ein eklatantes Problem der Energiewende seien. Was davon bitte ist neu?? Möglicherweise hält Ebert seine Leser für ziemlich ahnungslos, uninformiert oder gar für dumm. Er appelliert deshalb auch wiederholt dafür, selbst zu denken, anstatt dies von anderen übernehmen zu lassen. Bemerkenswert ist außerdem:

1)    Wiederholt schildert der Autor Probleme so, dass man sich als Leserin über die Einseitigkeit der Darstellung ärgert. Beispielsweise beim regionalen Lammfleisch und dessen schlechterer Klimabilanz gegenüber dem Konkurrenzprodukt aus Neuseeland. Es ist plausibel, dass die Lammfleischerzeugung in Neuseeland eine günstige Energiebilanz aufweist (S. 76). Aber: es geht bei regionalem Lammfleisch eben nicht nur um die Energiebilanz, sondern beispielsweise auch um eine rentable und damit zuverlässige Landschaftspflege in der Region. Immer wieder argumentiert Ebert bei solchen Beispielen einseitig, ja unterkomplex.

2)    Auf Seite 79/80 des Buches formuliert Ebert sehr klar, dass menschliche Existenz Schäden verursacht – und dass es naiv sei zu glauben, dass man aus dieser Nummer sauber herauszukomme. So seine Formulierung. Genaugenommen eine sehr pessimistische Sicht der Situation. Trotzdem verwehrt sich Ebert dagegen, dass man alarmiert sein oder gar individuelle Konsequenzen beim Konsumverhalten ziehen sollte. Man müsse eben Prioritäten setzen.

Im anschließenden Teil „Denkfallen und Irrationalitäten“ werden die Leser darüber informiert, warum die Welt retten zu wollen ein Religionsersatz sei, warum Wissenschaftler ihre vom Mainstream abweichende Meinung nicht äußern würden und was kognitive Dissonanz bedeutet. Das Menschen Risiken oft falsch einschätzen und komplexe Systeme schlecht einschätzen können, trifft durchaus zu. Allerdings: manche der geschilderten Beispiele, die der Illustration der jeweiligen These dienen sollen, sind wenig nachvollziehbar. Vor allem Eberts Darstellung zur angeblichen Ungefährlichkeit von „Atommüll“ ist in dieser Hinsicht lesenswert. Weder differenziert er, um welche Art von Müll, also insbesondere um welche Isotope, es ihm geht. Aber er behauptet auf S. 129, dass das wesentliche Risiko strahlender Abfälle nach 500 Jahren abgeklungen sei. Keine Silbe darüber, dass Plutonium-Isotope sehr lange Halbwertszeiten haben können. Zudem eine merkwürdige Einschätzung, dass vor allem Gamma-Strahlung, nicht aber Alpha-Strahler gefährlich sein könnten. Und das aus der Feder eines Physikers! Außerdem kein Wort zum langwierigen Rückbau eines Kernkraftwerks.

Im dritten Teil des Buches kommt der Wissenschaftskabarettist schließlich zu seinen Lösungsvorschlagen: Mehr Technikoffenheit, mehr praktische Erfahrung und Pragmatismus, mehr Bildung. Nichts davon steht im Gegensatz zu dem, was sich Klimabesorgte ebenfalls wünschen. Selbstverständlich wird man nicht nur Strategien benötigen, um den Klimawandel zu begrenzen, sondern auch Anpassungen an seinen Folgen. Deutlich wird allerdings auch: viele der von Ebert favorisierten Technologien stecken noch ziemlich in den Kinderschuhen und sind eher Wetten auf die Zukunft als greifbare Lösungen. Insofern sind seine Vorstellungen, dass saubere Kernkraftwerke wie Dual-Fluid-Reaktoren, Clean Fracking oder die Kernfusion das Energiethema lösen werden, Nebelkerzen, die von dem ablenken, was hier und jetzt getan respektive unterlassen werden kann. Auch ohne deshalb ins Mittelalter, gar die Steinzeit zurückkehren zu müssen, geschweige denn zu wollen, wie er unterstellt.

Hört man auf Vince Ebert, dann erscheint es am klügsten, nichts am eigenen Lebensstil in Frage zu stellen, weil derlei Entscheidungen ohnehin zu komplex sein sollen. Stattdessen möge man mit mehr Optimismus auf den bewährten Einfallsreichtum der Menschheit (höhere Dämme, bessere Pumpen) setzen, der bislang immer zu mehr Wohlstand geführt habe – ja tatsächlich dazu geführt hat. In Eberts Vorstellung kommt offensichtlich das biologische, genauer biophysikalische Wissen nicht vor, nach dem Bäume eben nicht in den Himmel wachsen können. Genauso wenig wie die Volksweisheit, die lautet „der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht“ und verdeutlichen soll, dass etwas Riskantes, das bislang geglückt ist, nicht immer gut ausgehen wird. Auch so etwas wie das Vorsorgeprinzip, also wahrscheinliche Risiken zu minimieren, obwohl man noch nicht allerletzte Gewissheit hat, lehnt der Physiker und Kabarettist Ebert ab, nachdem er eine verzerrende Erklärung dieses Prinzip geliefert hat (S. 132). Mit dieser Haltung stellt er sich explizit gegen die tatsächlich von der Wissenschaft formulierten Auffassungen zu Klimagasemissionen und deren erwarteten Auswirkungen (vgl. Weltklimarat, Synthesebericht von 2023).

Fast schon verwunderlich, dass er sich mehrfach im Verlauf des Buches und vor allem zum Schluss versöhnlich gibt und betont, die Sorgen von Klimaaktivisten nachvollziehen zu können und lediglich ein paar neue, überraschende Einblicke beisteuern zu wollen. Ging es womöglich doch hauptsächlich um Gags, Pointen oder vordergründige Beruhigung, gar Autosuggestion?

Vince Ebert: Lichtblick statt Blackout: Warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen; dtv, München 2022, broschiert, 216 Seiten, 15,00 Euro